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Feier des Erntedankfestes auf der Vogelsburg am 6. Oktober 2024

Das geistige Klima ist entscheidend!

Auf das geistige Klima, das unser Miteinander prägt und aus dem heraus wir handeln, kommt es an, um die natürliche Klimakrise wie auch die Wirtschaftskrise und ebenso die sozialen Herausforderungen zu meistern, sagte Domkapitular Clemens Bieber bei der Feier des Erntedankfestes auf der Vogelsburg. „Erntedank verweist uns nicht nur auf die Gaben, sondern auch auf die Aufgaben.“

Die Predigt im Wortlaut:

„Klimawandel“ ist eines der Schlagwörter unserer Tage, ebenso wie „Wirtschaftskrise“.
Während uns das Stichwort „Klimawandel“ an die großen globalen Gefährdungen erinnert, die durch die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen, der Ökosysteme entstanden sind, macht uns die „Wirtschaftskrise“ eine weitere Bedeutung von „Klimawandel“ bewusst.
Wir spüren, dass es kalt, unmenschlich und unbarmherzig wird, wenn es nur um den eigenen Vorteil, den maximalen materiellen, finanziellen Profit geht. Denn damit wird das soziale Gefüge der Welt, das solidarische Miteinander zutiefst gefährdet.

Am Erntedankfest ist es deshalb wichtig, an die Lebensgrundlage von allem zu erinnern, von Wachsen und Werden in der Natur und ebenso des menschlichen Lebens und Miteinanders.

  • Die drohende Klimakatastrophe ist die Auswirkung des rücksichtslosen Umgangs mit der Natur; da werden z.B. Wälder abgeholzt, immer mehr Treibhausgase freigesetzt, Böden versiegelt und verseucht. Mit künstlichen Mitteln wird versucht, die Ausbeute und den Ertrag aus natürlichen Ressourcen ständig zu steigern, um das ganze Jahr über alles zur Verfügung zu haben und sich jederzeit alles leisten zu können.
  • Die in der Wirtschaftskrise deutlich gewordene zwischenmenschliche Kälte ist die Auswirkung einer mehr und mehr egoistischen Lebensweise. Dabei wird nur der eigene höchstmögliche Gewinn gesehen. Sogar Mitmenschen werden für den eigenen Vorteil benutzt und ausgenutzt. Diese skrupellose Haltung hat zur Folge, dass zwischen „wertem“ und „unwertem“ Leben unterschieden wird. Menschen werden bewertet und schließlich abgeschoben werden, wenn sie nichts oder nichts mehr „bringen“, vielleicht sogar genau wenn, wenn sie Solidarität, Hilfe und Unterstützung brauchen.

Die biblische Botschaft des 27. Sonntags im Jahreskreis, die damit heuer über dem Erntedankfest steht, verweist uns auf den uns vom Schöpfer gegebenen natürlichen Lebensraum, in dem Leben wachsen und sich entfalten kann.

  • Im Blick auf Erntedank bedeutet die Botschaft der Lesung aus dem Schöpfungsbericht:
    Gott hat alles Leben geschaffen, er hat der Schöpfung eine Ordnung gegeben und sie dem Menschen anvertraut, damit er sie in seinem Sinne gebraucht.
  • Und die Botschaft des Evangeliums bedeutet in diesem Zusammenhang: Aus der Verbindung von Mann und Frau erwächst neues Leben. Mutter und Vater ergänzen sich und bieten den Lebensraum, in dem menschliches Leben reifen und sich entfalten kann. In dieser natürlichen Umgebung wird Gottvertrauen erlebt und der behutsame Umgang mit dem Leben eingeübt. Schließlich wird dabei auch die Grundhaltung deutlich, nämlich offen und erwartungsvoll das Leben anzunehmen, so wie es ein Kind tut.

Um zu einem zufriedenen, erfüllten Leben zu finden, muss der Mensch eine natürliche Beziehung zur Welt und ebenso zum Mitmenschen suchen. Dabei geht es aber immer auch um Gott und um die Beziehung zu IHM. Dadurch wird eine egoistische, nur auf sich bezogene Lebensweise verhindert. Die Botschaft von Erntedank macht also bewusst: Wahres Menschsein und Mitmenschlichkeit haben ebenso wie Klima-, Umwelt- und Lebensschutz mit Gott und der persönlichen Beziehung zu IHM zu tun.

Ein Kreuz in der Flur oder auf den Bergen ist Hinweis auf Gott, den Schöpfer der Welt und des Lebens. Ein Fest wie Erntedank drückt unsere Beziehung zu Gott aus. Das Kreuz im Haus, in der Wohnung, das gemeinsame Gebet in der Familie, das Kreuzzeichen, das auf die Stirn eines Kindes, eines lieben Menschen gezeichnet wird, sind Ausdruck des Vertrauens in Gott. Er ist es, der uns den Weg zu einem guten Leben führt.

Doch mehr und mehr sind Menschen dabei, sich selbst zu Herren des Lebens aufzuspielen. Sie wollen dem Leben die Bedeutung zu geben, die sie selbst gerne haben oder ihm beimessen möchten – bis hin zu dem Bestreben, ihre eigenen Vorstellungen zur Norm zu erheben. Das wird deutlich z.B. in dem Versuch jegliche Form von Partnerschaft als normal darzustellen – auch zwischen mehreren Beteiligten – und ihnen sogar zuzugestehen, Kinder zu adoptieren. In einer Gesellschaft, in der alles gleich gültig ist, gewöhnt man sich über kurz oder lang an alles.

Das Ganze wird begründet mit der Freiheit, die der Mensch für sich fordert, damit er tun und lassen kann, was er für richtig hält. Statt eine bedenkliche Entwicklung kritisch zu hinterfragen und ihr auf den Grund zu gehen, um möglichst helfen zu können, wird versucht, sie mit irgendwelchen, teilweise pseudowissenschaftlichen Argumenten zu rechtfertigen.

Noch nie ist die individuelle Freiheit des Einzelnen größer gewesen als heute. Doch dabei wird vergessen, dass alle Freiheit getragen sein muss von einem in der Schöpfung Gottes begründeten Lebenskonzept, sowie vom verantwortungsbewusstem Miteinander und Umgang mit der Welt. Doch diese wesentliche Lebensgrundlage wird häufig schon in der Erziehung vergessen.
Die einseitig verstandene Freiheit führt dann zu Auswüchsen, wie sie in den Parolen wie „Mein Bauch gehört mir“ zu hören war. Das führte schließlich zu millionenfacher Abtreibung. Heute merken wir, wie sehr uns der Nachwuchs fehlt. Bedenklich sind auch Aussagen wie: „Ich kann manchen, was ICH will!“ oder: „Das kann ich mir nicht zumuten“. Das führte z.B. dazu, die hilfsbedürftigen Eltern oder Partner schon bei der geringsten Einschränkung abzuschieben.
Oder denken wir an die Diskussion um die Erweiterung der Stammzellenforschung. Sie degradiert im Namen der Forschungsfreiheit menschliches Leben zum Zellhaufen und gibt ihn so auch der Zerstörung preis. Oder, um noch ein Beispiel zu nennen, die Diskussion um die Patientenverfügung. Sie ermöglicht es, dass auch gegen den aktuellen Willen des Betroffen entschieden werden kann.

Freiheit funktioniert nicht, wenn der Einzelne immer mehr Möglichkeiten und Rechte für sich in Anspruch nimmt. „Ohne den Einsatz des Einzelnen, ohne die Verantwortung für sich, für die Mitmenschen und für die Gemeinschaft ist auf Dauer jeder Staat überfordert“, habe ich in einem Kommentar gelesen. „Der Staat kann zwar die Wahlfreiheit der Bürger durch einzelne Freiheitsrechte sichern, nicht aber den verantwortlichen und solidarischen Gebrauch von Freiheit, zu dem das Gewissen anleitet.“

Viele der derzeitigen als bedrohlich empfundenen Probleme haben ihre Ursache nicht in einem politischen System, sondern wesentlich in den Erwartungen und dem Verhalten des Einzelnen. Deshalb genügt es nicht an den Symptomen und den Auswirkungen beängstigender Situationen zu kurieren. Es geht um die Grundhaltung, aus der heraus der Einzelne lebt und handelt. Es geht um die Verantwortung jedes Einzelnen, nicht nur des Staates. Deshalb ist die Erziehung von Kindern und die Begleitung von Heranwachsenden von entscheidender Bedeutung. Ein Sozialpädagoge sagte in einer Diskussionsrunde: „Wir dürfen in einer immer unübersichtlicher werdenden Welt Heranwachsende nicht mit sich selbst allein oder gar die Erziehung dem teilweise unheimlichen Einfluss der Medien überlassen. Wir alle sind gefordert. Es geht ums Ganze.“ Eine Freiheit, die alle Menschen, die den Zusammenhang des Lebens im Blick habe, setze sich selbst nicht absolut. „Sie begreift sich vielmehr als Mittel, ein verantwortliches Miteinander zu ermöglichen. Es braucht unser aller Einsatz für eine Freiheit, die … nicht mit Beliebigkeit gleichzusetzen ist, ... Wir brauchen eine Freiheit, die sich an Verantwortung bindet.“

Mit Blick auf die derzeitigen Entwicklungen in der Politik darf es nicht um kurzsichtig auf möglichen Wahlerfolg ausgerichtete Forderungen gehen. Jede Maßnahme wird sich daran messen lassen müssen, ob sie auch langfristig ökonomisch sinnvoll, ökologisch vertretbar und auch gegenüber denen gerecht ist, die ihre Stimme nicht erheben können.

Es geht also um einen geistigen Klimawandel in unserer Gesellschaft – weg von einer egoistischen Lebenshaltung, die nur sich kennt und nur sich zu verwirklichen sucht. Es geht darum, Freiheit wieder richtig zu verstehen, nämlich nicht als Freiheit von jeglicher Verantwortung, sondern als Freiheit zu einem bewussten und beherzten Umgang mit dem Leben und der Welt.

Das Erntedankfest stellt uns mit den vielen guten Früchten der Erde vor Augen, dass die Schöpfung eine ausreichende Lebensgrundlage für alle Menschen bieten könnte, wenn wir sie nur gerecht aufteilen würden.
Ebenso macht uns die biblische Botschaft heute klar: Der wahre Reichtum unseres Lebens sind die Menschen, die uns nahestehen: In der Partnerschaft von Mann und Frau, in ihrer Beziehung zueinander. In unseren Familien kann Leben wachsen und Freude geteilt werden.

Weil die Eisberge am Nordpol schneller schmelzen als befürchtet, braucht es ein Umdenken der Menschen. Genauso dringend braucht es ein Umdenken im Blick auf das menschliche Leben und ein gerechtes Miteinander. Erntedank verweist uns nicht nur auf die Gaben, sondern auch auf die Aufgaben.

Domkapitular Clemens Bieber
www.caritas-wuerzburg.de

Text zur Besinnung

Zur Besinnung nach der Kommunion

Gott allein kann schaffen,
aber wir können das Erschaffene zur Geltung bringen.

Gott allein kann Leben schenken,
aber wir können es weitergeben und achten.

Gott allein kann Glauben schenken,
aber wir können Zeugnis geben.

Gott allein kann Hoffnung wecken,
aber wir können anderen Vertrauen schenken.

Gott allein kann Freude schenken,
aber wir ein Lächeln.

Gott allein ist der Weg,
aber wir können ihn anderen zeigen.

Gott allein ist das Unmögliche,
aber wir können das Mögliche tun.

Gott allein ist die Liebe,
aber wir können seine Liebe weitergeben.

Gott allein genügt sich selbst,
aber er hat es vorgezogen, auf uns zu zählen.

(Autor unbekannt)